Bild: Satellitenbild von Feldern in Kansas, USA. Quelle: Nasa / Wikipedia, bit.ly/17whx42 (Public Domain)

Wozu eine eigene Webseite, einen eigenen Blog? Gründe dafür gibt es viele: Diese Form des Schreibens macht Spaß, steht jedem offen und hilft, für die eigenen Themen und Projekte Anschluss zu finden. Dennoch traut sich nur ein verschwindend kleiner Teil der Internetnutzer mit eigenen Inhalten hervor: Meine Lieblingsblogs schreiben vorwiegend auf Englisch. Bei mir hat es ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich mit dem Vorhaben ausreichend wohl fühlte, um das Projekt auch umzusetzen. Woran mag diese Blog-Skepsis liegen, und wie geht man damit um? Ein paar Ideen.

Garten statt Schaufenster

Viele Blogs sind leider sehr langweilig. Ich finde sie meist, wenn ich ein Problem habe und dazu Antworten suche. Dies mag daran liegen, dass man den eigenen „Internetauftritt“ vorwiegend im beruflichen Kontext nutzt, zumal eine eigene Seite die Visitenkarte so praktisch ergänzt. Wie ändert man die index.php-Datei im WordPress-Template? Ein Template-Designer erklärt mir, wie das geht. Gegen solches Content-Marketing ist im Prinzip ja nichts einzuwenden, denn nun weiß ich ja von dem Template-Designer, für das nächste Projekt. Doch haftet solchen Gründen nicht etwas durchschaubar Kleinliches an, wenn das abendelange Basteln an WordPress-Templates, Plugins und Links auf nichts Interessanteres hinauslaufen soll, als die Ladenfront der Ich-AG mit einem Schaufenster auszustatten?

Durch die finstere Skeptiker-Brille betrachtet, erscheint noch das seltsamste Katzenvideo von Berechnung schattiert, zumal interessante Blogs auch gelesen werden, teils sogar Werbung schalten. Wer die Internetlandschaft nur aus dieser Perspektive betrachten kann, dem ist  mit dem besten Werbeblocker nicht zu helfen. Vielleicht ist es die Tradition der deutschen Romantik, in der die Innerlichkeit so streng betont wird: „Im Dunkel wird mir wohler sein“ (Müller/Schubert); in diesem Fall also Licht aus und das Internet vorsichtshalber nur anschauen.

Wenn man auf jede Äußerung im Netz verzichtet, lässt sich dies  ebenfalls als cleverer Marketing-Schachzug werten, um sich zum Beispiel als besonders authentisch oder geheimnisvoll zu inszenieren. Auf diese Weise wird man allerdings nicht in Frage gestellt, und das wäre langweilig. In diesem Sinne; für eine buntere Welt, die Gelegenheit für neue Anregungen.

Prinzessinnengarten, Berlin

Besser als das Schaufenster gefällt mir das Bild eines ertragreich verwilderten Gartens, in dem sich sowohl Zier- als auch Nutzpflanzen finden – ein lebendiger Ort, der die Wohnung mit der Straße verbindet. Ein Platz zum Nachdenken und Grübeln, für Gespräche vielleicht oder schlicht ein Anlass, sich in neue Umgebung zu bewegen, und sei es mitunter der Baumarkt.

Experimentieren und Lernen

Ein zweiter Grund gegen ein Blog ist Perfektionismus. Manchmal ist der größte Fehler der, jedwegen Fehler zu vermeiden: Glaubt man einer Studie, die verschiedene Kulturen auf ihre Fehlertoleranz hin vergleicht, landet Deutschland auf dem zweitletzten Platz, gleich hinter Singapur. Eine solche Haltung ist im Internet nicht sehr hilfreich, zumal das Risiko bei halbwegs intaktem common sense äußerst gering ist, vor allem zu Beginn. Schlimmstenfalls wird man ignoriert, bestenfalls mit Inhalten sichtbar.

Soweit die Theorie. Tatsächlich möchte ich selbst bei diesem ersten „Hallo Welt“-Blogpost den Text schon wieder umschreiben. Das ist wohl so üblich: Nach Ira Glass entwickelt sich der Geschmack verlässlich schneller als die eigenen Fähigkeiten. Um mit dem Schreiben voranzukommen, lohnt es sich, eine gewisse Unzufriedenheit auszuhalten. So lässt sich ein Blog auch als eine Art Labor vorstellen, mit ausreichend Freiraum für Experimente.

Zeit und Anregung

Dann wäre da noch das wichtigste Argument, die liebe Zeit. Dieser Punkt lässt an die grauen Herren von der Zeitbank denken, in Michael Endes „Momo“. Die Zeit ließe sich ja auch dann nicht ansparen, würde man auf die Gestaltung der eigenen Seite verzichten. Man kann sie nur anders nutzen.

Eigentlich bin ich es aus meinen bisherigen Jobs ja gewohnt, meine Zeit in der einen oder anderen Form zu vermieten. Je nach Marktwert und Verhandlungsgeschick wird man bezahlt, und kann sich dafür zum Beispiel eine Winterjacke kaufen, eine schöne Reise, ein Buch. Manchmal lässt sich das Geld sogar wieder in etwas Zeit übersetzen, dann kümmert sich eben die Spülmaschine um das Geschirr. Aber es gibt noch einen anderen Teil des Gehalts. Wenn es gut geht, ergeben sich neben der Vergütung noch Anregungen und nette Kontakte. Ebenso wie bei beruflichem Zeiteinsatz lassen sich auch die privaten Webprojekte nicht nur danach bewerten, wieviel Zeit es denn kostet. Bisher macht es mir unerwartet Freude, so nebenbei in Raum zu schreiben. Dies mag nicht immer möglich sein, aber das gilt auch für vieles andere.

Warum also nicht. Ich bin mal gespannt.