Die Konferenz „Open Educational Resources“ letztes Wochenende war sehr inspirierend: Freie Bildungsmaterialien setzen sich auch in Deutschland zunehmend durch; nachdem die wichtigsten technischen Fragen geklärt sind, diskutiert man nun über Inhalte und deren optimale Verbreitung. Die Teilnehmer waren sich weitgehend einig, dass „Open Education die (Bildungs-)Welt verändern kann“. Bei der Frage der Umsetzung gingen die Vorstellungen jedoch auseinander.  Institutionen und Rahmenbedingungen: Föderalistische Insellösungen

Während in anderen Ländern zentrale staatliche Sammlungen geschaffen werden, um hochwertiges Material besser auffindbar zu machen und die Schulen zu entlasten, wird die eLearning-Praxis in Deutschland noch immer durch den Föderalismus behindert. Zwar stellen viele Bundesländer ihre Lehrer vom Unterricht frei, um an OER-Materialien zu arbeiten, allerdings werden diese Inhalte lediglich zur Nutzung im jeweiligen Bundesland freigegeben. Angeblich befürchtet man Schwierigkeiten mit dem Rechnungshof, und dass es diese im OER-Bereich bisher noch nicht gab, befestigt die Beteiligten nur in ihrer Haltung, durch eine eingeschränkte Vergabe der Nutzungsrechte Rechtsproblemen vorzubeugen.

In diesem Szenario ergibt sich nach dem eLearning-Experten Hilgenstock eine besonders widersprüchliche Form der Lizensierung, eine Freigabe exklusiv für ein Bundesland. Der Lehrer aus Hessen kann nicht Inhalte aus einem bayerischen Portal nicht einfach nutzen, sondern muss sie bei Bedarf neu erstellen. Mit „Landesbildungsservern“ und ähnliche Insellösungen werden Inhalte nicht nur mehrfach produziert; durch die mangelnde Vernetzung verschärft sich auch das Problem der Kuratierung. Bei Projekten wie der norwegischen Bildungsplattform ndla.no fällt es durch die zentrale Auswahl dagegen leichter, das beste Unterrichtsmaterial zu finden.

Lerner als Selbstlerner: Didaktik der Wissensgesellschaft

Mit dieser chaotischen Situation im deutschen OER-Markt verschieben sich die didaktischen Ziele. Wie der Bildungsberater Neil Butcher in seiner Keynote feststellt, wäre es zu klein gedacht, mit freie Bildungsmaterialien lediglich die veralteten Unterrichtskonzepte fortzusetzen. Statt der reinen Wissensvermittlung gelte es vor allem die Informationskompetenz von Lernenden zu fördern, freie Wissensangebote selbständig zu nutzen und das Lernen mit den neuen Möglichkeiten aktiv zu gestalten.

Auffällig erschien mir bei den vorgestellten Projekten, dass sowohl das Medizin-Lehrbuch Handbookhand, das e-Learning-Kompendium l3t 2.0 oder die deutsche Version der Khan Academy nicht auf bildungsbürokratische Planungen zurückgehen, sondern auf den Bedarf einer gut vernetzten Gruppe. Angesichts der föderalen Situation erscheint es mir wenig wahrscheinlich, dass sich eine Didaktik der Wissensgesellschaft durch eine Veränderung der Institution ‘von oben’ erreichen lässt – erfolgreich ist das konkrete Engagement, die Sogwirkung von bedarfsgerecht-fundierten Inhalten, attraktiven Projekten. Abgesicherte Freiräume sind im Erfolgsfall hilfreich, das Projekt zu vergrößern. Unterstützung durch eine Institution setzt in den meisten Fällen aber jene Art von Initiative voraus, wie sie die pragmatisch-optimistischen Sätze von Bree Pettis beschreiben:

Doing something makes you right. […] Done is the engine of more
(Bree Pettis, Cult of done manifesto)